Aufhebungsvereinbarung im französischen Arbeitsrecht
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Aufhebungsvereinbarung im französischen Arbeitsrecht


Die Aufhebungsvereinbarung in Frankreich: Leitfaden für deutsche Unternehmen

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Einleitung

Hat ein deutsches Unternehmen Mitarbeiter in Frankreich und überlegen sie, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden, ist es entscheidend, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des französischen Arbeitsrechts über die Aufhebungsvereinbarung (rupture conventionnelle) im Klaren zu sein. Diese Form der Vertragsbeendigung kann für beide Parteien, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, vorteilhaft sein, da sie Flexibilität bietet und vor Gericht seltener angefochten wird als eine Kündigung.

In diesem Leitfaden erklären wir die wichtigsten Aspekte der Aufhebungsvereinbarung im französischen Arbeitsrecht, den Unterschied zu anderen Arten der Vertragsbeendigung und geben praktische Tipps, um mögliche Fallstricke zu vermeiden.

1. Was ist eine Aufhebungsvereinbarung?

  • Gesetzliche Definition: Die Aufhebungsvereinbarung (rupture conventionnelle) ist eine einvernehmliche Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Diese Form der Vertragsbeendigung wurde 2008 im französischen Arbeitsrecht eingeführt und bietet eine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis im Einvernehmen zu beenden, ohne dass einer der beiden Parteien ein Fehlverhalten nachgewiesen werden muss.

  • Aufhebungsvereinbarung im Vergleich zu anderen Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Es ist wichtig, die Aufhebungsvereinbarung im Vergleich mit den anderen Formen der Beendigung von Arbeitsverträgen zu betrachten, um die Vorteile besser zu erkennen.

Aufhebungsvereinbarung vs. Kündigung

Die Aufhebungsvereinbarung bietet im Vergleich zur Kündigung mehr Flexibilität, da sie auf einer einvernehmlichen Vereinbarung beruht und weniger formelle Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber rechtlich gut abgesichert sein, insbesondere in Bezug auf den Kündigungsgrund, der häufig rechtsunsicher und vor französischen Arbeitsgerichten angefochten werden kann.

Aufhebungsvereinbarung vs. Eigenkündigung

Im Gegensatz zur Eigenkündigung, bei der der Arbeitnehmer auf eine Abfindung verzichtet und normalerweise keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, ist die Aufhebungsvereinbarung für den Arbeitnehmer finanziell vorteilhafter. Außerdem bietet sie eine gewisse rechtliche Sicherheit und ermöglicht es dem Arbeitnehmer, eine faire Abfindung zu erhalten. Daher bevorzugen Arbeitnehmer in Frankreich oft die Aufhebungsvereinbarung, obwohl sie alleine entschieden haben, das Unternehmen zu verlassen. Es ist dem Arbeitgeber dann überlassen, ob er sich auf dieses Angebot einlässt oder nicht.

Aufhebungsvereinbarung vs. Vergleichsvereinbarung

Die Aufhebungsvereinbarung unterscheidet sich von dem Vergleich, der es dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ermöglicht, nach einer Kündigung oder einer Aufhebungsvereinbarung zu verhandeln, wenn ein Konflikt entstanden ist. In der Regel erklärt sich der Arbeitgeber bei der Vergleichsvereinbarung bereit, eine zusätzliche Abfindung zum gesetzlichen Minimum zu zahlen, und der Arbeitnehmer verpflichtet sich im Gegenzug, seine Kündigung nicht anzufechten oder die Aufhebungsvereinbarung in Frage zu stellen. Die Vergleichsvereinbarung hat einen Abgeltungseffekt, den die Aufhebungsvereinbarung nicht hat.

Aufhebungsvereinbarung vs. andere Formen der Beendigung des Arbeitsvertrages

  • Prise d’acte“ (selbstbestimmte Vertragsbeendigung): Der Arbeitnehmer beendet das Arbeitsverhältnis wegen schwerer Verfehlungen des Arbeitgebers. Das angerufene Arbeitsgericht entscheidet im Anschluss je nach Situation, ob der französische Arbeitsvertrag als Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer oder als Kündigung durch den Arbeitgeber beendet gilt. Es besteht kein Einvernehmen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers;
  • Vorzeitige Beendigung des befristeten Arbeitsvertrags: Die Beendigung vor Ablauf des befristeten Vertrags kann nur durch besonderen Grund oder gegenseitiges Einvernehmen erfolgen;
  • Gerichtliche Auflösung des Arbeitsvertrags: Der Arbeitnehmer beantragt beim Arbeitsgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen Pflichtverletzung des Arbeitgebers;
  • Kollektive Aufhebungsvereinbarung: Somit wir die einvernehmliche Beendigung mehrerer Arbeitsverträge im Rahmen von Massenentlassungen oder Umstrukturierungen geregelt.

Vorteile der Aufhebungsvereinbarung

  • Flexibilität: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können den Zeitpunkt und die Bedingungen der Beendigung individuell festlegen;
  • Finanzielle Sicherheit: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine im Gesetz bzw. Tarifvertrag festgelegten Mindest-Abfindung und auch auf Arbeitslosengeld;
  • Rechtliche Sicherheit: Die Vereinbarung wird von der französischen Arbeitsbehörde (DDETSPP) überprüft und genehmigt, was zusätzlichen Schutz bietet. Der Abgeltungseffekt ist allerdings eingeschränkter als in der Vergleichsvereinbarung. Die Aufhebungsvereinbarung kann daher innerhalb von 12 Monaten vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, und zwar entweder vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber aber das ist eher selten. Es gibt allerdings Rechtsprechungen zur Anfechtung des Aufhebungsvereinbarung.

2. Welche Arbeitnehmer dürfen eine Aufhebungsvereinbarung schließen?

Jeder Arbeitnehmer mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag:  Nach Ablauf der Probezeit kann jeder Mitarbeiter eine Aufhebungsvereinbarung abschließen.

Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die:

  • über einen besonderen Kündigungsschutz verfügen, z.B. Personalvertreter wie Mitglieder des Betriebsrates oder Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz;
  • Arbeitnehmer, die aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit krankgeschrieben sind,
  • französische Arbeitnehmer, die für ein ausländisches Unternehmen in Frankreich arbeiten und einen französischen Arbeitsvertrag haben.

Arbeitnehmer, mit denen keine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen werden darf:

  • Arbeitnehmer, die Anspruch auf einen Sozialplan oder eine kollektive Aufhebungsvereinbarung haben;
  • Arbeitnehmer, die eindeutig im Streit mit dem Arbeitgeber sind.

3. Verfahren zur Durchführung einer Aufhebungsvereinbarung in Frankreich

  • Die wichtigsten Schritte:

Der Ablauf einer Aufhebungsvereinbarung umfasst mehrere Schritte, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer genau beachtet werden müssen. Die wichtigsten Schritte sind:

  • Vorgespräche und Verhandlungen: Beide Parteien müssen sich zunächst über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einig werden. In dieser Phase wird oft auch über die Höhe der Abfindung und andere Konditionen verhandelt.
  • Unterzeichnung der Vereinbarung: Nach erfolgreicher Einigung wird eine schriftliche Vereinbarung erstellt und von beiden Parteien unterzeichnet.
  • Widerrufsfrist der Unterzeichner: Nachdem die Vereinbarung unterzeichnet wurde, haben beide Parteien eine 15-tägige Widerrufsfrist, innerhalb derer sie die Entscheidung zurücknehmen können. Es handelt sich dabei um Kalendertage, Sonn- und Feiertage inbegriffen.
  • Genehmigung durch die DDETSPP: Die Vereinbarung muss der DDETSPP zur Prüfung vorgelegt werden. Mehr dazu weiter unten.

4. Gültigkeitsbedingungen für die Aufhebungsvereinbarung

Damit eine Aufhebungsvereinbarung rechtlich bindend ist, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Hierbei ist es wichtig, dass alle gesetzlichen Vorgaben gemäß dem französischen Arbeitsrecht beachtet werden.

Einvernehmliche Einigung

Die Aufhebungsvereinbarung muss auf einer freien und gegenseitigen Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer beruhen. Es darf kein Druck auf eine der beiden Parteien ausgeübt werden. Sollte nachgewiesen werden, dass der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber zu der Vereinbarung gezwungen wurde, könnte die Vereinbarung ungültig erklärt werden. Dies ergibt sich aus Artikel L1237-11 des Code du travail, der die Freiwilligkeit dieser Vereinbarung klarstellt.

Verwendung des amtlichen Vordrucks online

Im Gegensatz zur deutschen Aufhebungsvereinbarung, die ein frei verfasster Vertrag ist, sieht das französische Arbeitsrecht vor, dass die Parteien zwingend einen Vordruck mit gewissen Pflichtinhalten verwenden müssen. Somit wird vermieden, dass z.B. die Mindestabfindung oder die Widerrufsfristen vergessen werden. Die entsprechende online Plattform ist die folgende:

Einhaltung der gesetzlichen Verfahren

Das Verfahren der Aufhebungsvereinbarung erfordert, dass der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber die Vereinbarung schriftlich festhalten und bestimmte Fristen beachten. Zum Beispiel beträgt die Widerrufsfrist nach der Unterzeichnung der Vereinbarung 15 Tage, wie in Artikel L1237-13 des Code du travail vorgeschrieben. Während dieser Zeit können beide Parteien die Vereinbarung widerrufen, ohne Angabe von Gründen.

  • Genehmigung durch die DDETSPP: Sobald die Widerrufsfrist abgelaufen ist, muss die Vereinbarung der DDETSPP (französische Arbeitsaufsichtsbehörde) zur Genehmigung vorgelegt werden. Die DDETSPP prüft die Vereinbarung, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind und dass die Aufhebung des Arbeitsvertrags unter fairen Bedingungen erfolgt. Laut Artikel L1237-14 des Code du travail hat die DDETSPP 15 Arbeitstage, um die Vereinbarung zu genehmigen oder abzulehnen. Reagiert die Verwaltung innerhalb dieser Frist nicht, so gilt die Aufhebungsvereinbarung als genehmigt.
  • Sicherstellung der freien und bewussten Willenserklärung der Parteien: Prävention von Missbrauch und Druckausübung. Manchmal ist es sinnvoll, neben dem Formular einen Aufhebungsvertrag zu verfassen, der den Verlauf der Verhandlungen erläutert und angibt, dass beide Parteien ohne Druck verhandelt haben und gegebenenfalls von einem Anwalt beraten wurden.
  • Es ist auch ratsam, den Arbeitnehmer nicht mehrmals per E-Mail zu fragen, ob er einen Aufhebungsvereinbarung aushandeln möchte, sondern dies frei mündlich zu besprechen. Es ist auch ratsam, jedem Einzelnen Zeit zum Nachdenken zu geben. Besondere Fälle: Leitende Angestellte, geschützte Arbeitnehmer
    • Gewerkschaftsvertreter: Aufhebungsvereinbarung mit einem Personalvertreter ist möglich, aber das Verfahren ist etwas strenger. tatsächlich muss der frz. Betriebsrat (CSE) konsultiert werden. Anschließend muss ein spezieller Antrag bei der frz. Arbeitsverwaltung gestellt werden, die zwei Monate Zeit hat, um zu antworten (anstatt 15 Tage). Die frz. Arbeitsverwaltung muss sicherstellen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken zugestimmt hat und dass die Aufhebungsvereinbarung nicht mit seinem Mandat in Verbindung steht.
    • Eine schwangere Frau kann eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnen. Das Verfahren ist das übliche, allerdings darf der Arbeitgeber die Müdigkeit oder eine mögliche psychische Schwäche der schwangeren Frau nicht ausnutzen, um sie zu Verhandlungen über eine Aufhebungsvereinbarung zu überreden. Bei einer Anfechtungsklage würde ein Gericht zwangsläufig die Tatsache berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin schwanger war.

5. Auswirkungen der Aufhebungsvereinbarung für Unternehmen und Arbeitnehmer

Die Aufhebungsvereinbarung hat sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer spezifische finanzielle und rechtliche Auswirkungen.

Finanzielle Auswirkungen

Das französische Arbeitsrecht sieht für den Arbeitnehmer eine Mindestabfindung vor, die mindestens der gesetzlichen oder der tarifvertraglichen Kündigungsabfindung entsprechen muss. Diese Abfindung wird auf Grundlage der Dauer des Arbeitsverhältnisses berechnet. Gemäß Artikel L1237-19 des Code du travail darf die Abfindung nicht niedriger sein als die gesetzliche Kündigungsabfindung.

Rechte des Arbeitnehmers nach der Aufhebungsvereinbarung

Nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung hat der Arbeitnehmer in der Regel Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern er die Voraussetzungen des französischen Arbeitsbehörde France Travail erfüllt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Eigenkündigung, bei der der Arbeitnehmer normalerweise keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Auswirkungen für den Arbeitgeber

Für den Arbeitgeber ermöglicht die Aufhebungsvereinbarung eine planbare und relativ reibungslose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zudem kann der Arbeitgeber dadurch potenziell aufwendige Kündigungsverfahren und Streitigkeiten vor dem französichen Arbeitsgericht vermeiden. Die mit der Aufhebungsvereinbarung verbundenen Kosten sind oft überschaubarer als bei einer Kündigung, insbesondere wenn langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden können.

6. Gerichtliche Entscheidungen mit praktischen Beispielen

Beispiele zur fehlenden Willenserklärung des Arbeitnehmers

Ein Beispiel ist der Fall eines Arbeitnehmers, der nachweisen konnte, dass er für die Unterzeichnung der Vereinbarung unter Druck gesetzt wurde. Das Arbeitsgericht erklärte die Vereinbarung für ungültig und der Arbeitnehmer erhielt nicht nur seine Arbeitsstelle zurück, sondern erhielt darüber hinaus Schadensersatz.

In einem anderen Fall entschied das französische Kassationsgericht (Cour de cassation) dagegen, dass eine Aufhebungsvereinbarung auch dann gültig ist, wenn der Arbeitnehmer in der Widerrufsfrist zögert, solange seine Willenserklärung freiwillig und ohne Zwang gegeben wurde.

Die Willenserklärung kann auch aufgrund psychischer Schwäche oder bei Mobbing fehlen. Das frz. Kassationsgericht hat z.B. im Jahr 2023 die Aufhebungsvereinbarung für ungültig erklärt, weil die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der Unterzeichnung Opfer von Mobbing aufgrund regelmäßiger, gar täglicher und völlig diskriminierender unangemessener Äußerungen ihres Arbeitgebers war. Sie war daher psychisch labil und nicht imstande, eine freie Willenserklärung abzugeben.

Beispiel zur fehlenden Willenserklärung des Arbeitnehmers

 Zum ersten Mal hat das frz. Kassationsgericht im Juni 2024 auch klargestellt, dass die Zustimmung des Arbeitgebers fehlerhaft sein kann und er daher auch eine Anfechtungsklage erheben darf. Im konkreten Fall wurde 2018 eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnet. Der Arbeitgeber hatte es auf Antrag des Arbeitnehmers getan. Der Arbeitnehmer war Verkaufsleiter und hatte angegeben, dass er eine Umschulung im Managementbereich machen wollte. Im folgenden Jahr hatte das Unternehmen jedoch herausgefunden, dass dieser Arbeitnehmer in Wahrheit ein Konkurrenzunternehmen gegründet und ehemalige Kollegen eingestellt hatte. Das frz. Kassationsgericht war der Ansicht, dass der Arbeitnehmer seine wahre Absicht verschwiegen hatte, die für den Arbeitgeber jedoch entscheidend waren, und deutete die Aufhebungsvereinbarung daher in eine Kündigung durch den Arbeitnehmer um. Der Arbeitnehmer musste die Aufhebungsentschädigung zurückzahlen.

Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung gleich im ersten Gespräch

Die französische Rechtsprechung hat kürzlich darauf hingewiesen, dass es möglich ist, den Vordruck für einen Aufhebungsvertrag noch am Tag des Gesprächs zu unterschreiben. Das Arbeitsgesetzbuch schreibt nämlich keine Frist vor. Dies geht aus einem Urteil vom 13. März 2024 hervor. Es reicht aus, dass die Unterschrift nach dem Gespräch erfolgt und die Willenserklärung frei war. Natürlich muss der Arbeitnehmer mit der ordnungsgemäßen Frist vorher zum Gespräch geladen worden sein.

Auslegung einer unklaren Klausel der Aufhebungsvereinbarung

Richter müssen manchmal unklare Klauseln auslegen, wie z.B. die Aufteilung der Beiträge an den Mitarbeiter.

Konkrete Beispiele für genehmigte oder abgelehnte Aufhebungsvereinbarungen

  • In einem Urteil aus dem Jahr 2020 hatte das frz. Kassationsgericht die Willenserklärung der Arbeitnehmerin aus folgenden Gründen als mangelhaft angesehen: Der Arbeitgeber hatte Druck auf die Arbeitnehmerin ausgeübt, deren Kompetenz zuvor nie in Frage gestellt worden war, und ihr zwei aufeinanderfolgende ungerechtfertigte Abmahnungen erteilt, sie abgewertet und ihre Arbeitsbedingungen verschlechtert. Dies hatte Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin, die unter Druck die Aufhebungsvereinbarung akzeptiert hatte.
  • Im Gegensatz dazu ist die frz. Rechtsprechung der Ansicht, dass die bloße Tatsache, dass der Kontext zum Zeitpunkt der Unterzeichnung konfliktgeladen war, nicht ausreicht, um die Nichtigkeit einer Aufhebungsvereinbarung zu begründen.  Der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass die Meinungsverschiedenheit von Druck oder Zwang begleitet wurde, der sein Verhalten beeinträchtigt hat (15.01.2014). Es ist der Arbeitnehmer, der nachweisen muss, dass seine Zustimmung fehlerhaft war.

Die frz. Rechtsprechung ist im Hinblick auf die Anfechtung restriktiver geworden, da der Kassationshof in einem Urteil aus dem Jahr 2019 darauf hingewiesen hat, dass das bloße Vorliegen von Mobbing auch nicht ausreicht. Der Arbeitnehmer muss zeigen, warum das Mobbing seine Zustimmung beeinflusst hat. Der Arbeitnehmer muss also den Beweis für das Mobbing und den Beweis für die Auswirkungen des Mobbings auf die Zustimmung erbringen. Die Auslegung erfolgt also von Fall zu Fall.

  • Lehren aus aktuellen gerichtlichen Entscheidungen zur Aufhebungsvereinbarung.

Obwohl die Rechtsprechung seit Einführung der Möglichkeit der Aufhebungsvereinbarung weniger streng mit den Umständen der Unterzeichnung ist, gibt es immer wieder Fälle der erfolgreichen Anfechtung vor dem Arbeitsgericht. Es ist daher geboten, den Beweis der freien Entscheidung der beiden Parteien zu haben.

7. Häufige Fehler und Stolperfallen für deutsche Unternehmen

Die Aufhebungsvereinbarung ist eine beliebte Methode in Frankreich, um ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Für deutsche Unternehmen, die in Frankreich tätig sind, gibt es jedoch einige rechtliche Fallstricke, die sie beachten müssen, weil die Anforderungen höher als in Deutschland sind.

Hier sind die häufigsten Fehler und Stolperfallen:

1. Risiko der Druckausübung auf den Arbeitnehmer

Verbot von Druckausübung: In Frankreich ist es streng verboten, den Arbeitnehmer zur Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung zu drängen. Dies kann die Vereinbarung für nichtig erklären.

Ungültigkeit bei Zwang: Wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass Druck ausgeübt wurde, könnte die Vereinbarung vor Gericht angefochten und für ungültig erklärt werden.

2.  Unterzeichnung des Vertrags am Tag des Gesprächs

Vorschnelle Unterzeichnung: In Deutschland ist es üblich, Vereinbarungen direkt nach Verhandlungen zu unterzeichnen. In Frankreich hingegen wird dies als riskant angesehen.

Zeit zur Reflexion: Der Arbeitnehmer sollte die Möglichkeit haben, die Bedingungen in Ruhe zu prüfen, bevor er den Vertrag unterzeichnet. Eine sofortige Unterzeichnung, insbesondere ohne Ladung zum Unterzeichnungstermin, kann als Druck wahrgenommen werden und rechtliche Konsequenzen haben. Die französische Rechtsprechung toleriert jedoch trotzdem die Unterzeichnung des Dokuments am selben Tag wie das Vorgespräch.

3. Mangelhafte Kenntnis des Verfahrens

Unzureichende Information: Die Aufhebungsvereinbarung folgt einem strikten rechtlichen Verfahren. Fehler im Ablauf können die Vereinbarung ungültig machen.

Genehmigungspflicht: Das französische Arbeitsamt (DDETSPP) muss die Vereinbarung genehmigen. Ohne diese Genehmigung ist die Aufhebung unwirksam.

4. Falsche Berechnung der Abfindung

Mindestabfindung: Die Abfindung in Frankreich muss mindestens der gesetzlichen oder der tarifvertraglichen Abfindung entsprechen. Deutsche Unternehmen unterschätzen häufig diesen Betrag.

Vergessene Zusätze: Bestimmte Zulagen, wie Bonuszahlungen, Urlaubsgeld, Wettbewerbsverbotsentschädigung oder Überstunden, müssen oft in die Berechnung der Abfindung einfließen.

5. Missachtung der Kündigungsfrist

Kein sofortiges Ende: Auch bei einer Aufhebungsvereinbarung gibt es eine Frist von 15 Kalendertagen, in denen der Arbeitnehmer seine Zustimmung widerrufen kann.

Falsches Timing: Es ist wichtig, den Antrag erst nach Ablauf der Widerrufsfrist bei der Behörde einzureichen.

Es ist aber möglich, eine längere Frist vorzusehen, solange die beiden Fristen von mindestens 15 Tagen auch eingehalten werden.

6. Keine Anpassung an französisches Arbeitsrecht

Falsche Klauseln: Klauseln, die im deutschen Arbeitsrecht gültig sind, können in Frankreich ungültig sein. Achten Sie auf lokale Besonderheiten.

Unzureichende Dokumentation: Alle Schritte müssen schriftlich dokumentiert werden. Mündliche Vereinbarungen sind rechtlich unverbindlich.

7. Falsche Annahme, dass alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind

Die Abgeltungsklausel, die in deutsche Vereinbarungen zu finden ist, hat nicht den gleichen Effekt im französischen Arbeitsrecht.

8. Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Fehler

Falsche Steuerplanung: Deutsche Unternehmen übersehen häufig, dass Abfindungen in Frankreich steuerlich anders behandelt werden als in Deutschland.

Sozialversicherungsbeiträge: Bestimmte Abfindungen unterliegen in Frankreich Sozialversicherungsbeiträgen. Dies wird oft vergessen. Der Arbeitgeber muss außerdem eine Sozialpauschale von 30 % zahlen.

8. Rechtliche Risiken bei Nichteinhaltung der französischen Vorschriften

Welche Sanktionen drohen?

Wenn das Verfahren nicht eingehalten wird, kann die französische Verwaltung die Beendigung des Arbeitsvertrages für ungültig erklären mit der Folge der Lohnfortzahlung sowie eventuell der Schadenersatzzahlung.

9. Fazit

Die Aufhebungsvereinbarung in Frankreich bietet Unternehmen und Arbeitnehmern eine flexible Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Doch ohne gründliche Kenntnis des französischen Arbeitsrechts lauern zahlreiche Fallstricke, die zu unnötigen Kosten und rechtlichen Problemen führen können. Besonders Druckausübung auf den Arbeitnehmer und die sofortige Unterzeichnung der Vereinbarung sind Risiken, die deutsche Unternehmen oft begehen.

Sie sind ein deutsches Unternehmen und benötigen Unterstützung bei einer Aufhebungsvereinbarung in Frankreich? Unsere deutsch-französische Anwaltskanzlei steht Ihnen mit fundierter Expertise im Arbeitsrecht beider Länder zur Seite. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung und rechtssichere Lösungen – wir helfen Ihnen, Stolperfallen zu vermeiden und rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben!

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie lange dauert das Verfahren einer Aufhebungsvereinbarung typischerweise?

Das Verfahren dauert in der Regel eineinhalb Monate, es sei denn, die Verhandlungen sind langwierig.

Welche Dokumente sind für eine erfolgreiche Genehmigung erforderlich?

Sie müssen das offizielle Formular (Cerfa) ausfüllen, und parallel dazu können Sie einen Vertrag über die Aufhebungsvereinbarung aufsetzen, um bestimmte Details zu klären. Sie müssen dem Arbeitnehmer auch die Dokumente zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aushändigen.

Kann die Aufhebungsvereinbarung von der Verwaltung abgelehnt werden?

Ja, z. B. wenn die vorgesehene Entschädigung nicht dem Minimum entspricht oder wenn die 15-tägige Widerrufsfrist nicht eingehalten wurde.

Kann ein deutscher Arbeitnehmer, der in Frankreich arbeitet, eine Aufhebungsvereinbarung in Anspruch nehmen ?

Ja, denn ab dem Zeitpunkt, zu dem er von Frankreich aus arbeitet, unterliegt er hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsvertrags dem französischen Recht.

Führt eine Aufhebungsvereinbarung immer zu Arbeitslosengeld in Frankreich?

Nein, der Arbeitnehmer muss die vom frz. Arbeitsamt (France Travail) geforderten Bedingungen erfüllen (z. B. eine Mindestdauer gearbeitet haben, körperlich arbeitsfähig sein).

Wie kann man Fehler bei der Erstellung der Vereinbarung vermeiden?

Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber müssen sich vor allem über die Höhe der Abfindung und das Datum des Vertragsendes einigen.

Kann eine Aufhebungsvereinbarung nach der Genehmigung durch die DDETSPP widerrufen werden?

Ja, die Aufhebungsvereinbarung kann innerhalb von 12 Monaten vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

11. Zusätzliche Quellen für deutsche Unternehmen

Die Webseiten der öffentlichen Einrichtungen :

Das französische Arbeitsamt: Accueil France Travail | France Travail

Die DDETSPP:

Das französiche Arbeitsministerium:

Praktischer Link : Direction départementale de l’emploi, du travail, des solidarités et de la protection des populations (DDETSPP) – 46 résultat(s) sur tout le territoire – page 1/2 – Annuaire | Service-Public.frAccueil | Ministère du Travail et de l’Emploi (travail-emploi.gouv.fr)



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